Magnetbahnsysteme setzen für den Antrieb seit Jahrzehnten auf Linearmotoren. Nun erkennt die konventionelle Eisenbahnindustrie die Vorteile von Linearmotoren an und will diese in das bestehende Eisenbahnnetz integrieren. Dabei handelt es sich um neuartige „Maglev Derived Systems“ (MDS), also Systeme, die von Magnetschwebebahnen abgeleitet sind.
Der Ansatz hinter MDS ist es, Linearmotoren in die Bestandsinfrastruktur zu implementieren. Man verspricht sich dadurch Leistungssteigerungen, die beispielsweise höhere Steigungen und längere Fahrzeuge ermöglichen. Inwiefern die Technologie Sinn macht, ist aber noch völlig offen. Die EU fördert das Projekt mit 1,5 Mio. EUR.
Strategische Allianz "MaDe4Rail" gegründet
Das MaDe4Rail-Projekt erforscht die Integration von Technologien, die von Magnetschwebebahnen (Maglev) abgeleitet sind, in bestehende Eisenbahninfrastrukturen. Ziel ist es, die Leistung des europäischen Schienennetzes zu steigern, indem schwebende Züge und traditionelle Züge auf denselben Strecken betrieben werden können. Dies könnte zu höheren Frequenzen führen, ohne dass neue Infrastrukturen gebaut werden müssen. So zumindest die offizielle Erklärung des Projektes auf der Website.
Fragwürdiger Ansatz
Der Einsatz von Linearmotoren auf Bestandsstrecken bringt sicherlich Vorteile, da die Fahrzeuge bei kritischen Bedingungen von zusätzlicher Leistung profitieren würden. Der lokale Güterverkehr innerhalb von einzelnen Bereichen könnte durch einzeln fahrende Container oder noch längeren, kapazitätsstärkeren Fahrzeugen profitieren.
So etwas aber großflächig einzusetzen, ist ein fragwürdiger Ansatz, bei welchem die Leistungsfähigkeit von Langstator-Linearmotoren (wie beim Transrapid) mit der Ineffizienz der Rad-Schiene kombiniert wird.
Die Idee klingt super: Man hat einen fertigen Passagierzug, welchen man einfach mit MDS-Technologie ausstatten kann. Doch der Energiebedarf wäre dabei alles andere als super. Da konventionelle Züge ihre gesamte Antriebsleistung in ihren Achsen und Rädern mitschleppen müssen, sind sie sehr schwer. Vergleich: Ein Transrapid 08 (0,49 t / Sitzplatz) wiegt pro Sitzplatz übrigens nur halb so viel wie ein ICE 3 (0,99 t / Sitzplatz) , da er über keine Räder, Achsen und Antriebsmotoren verfügt.
Durch das hohe Gewicht konventioneller Züge ist mit einem entsprechend hohen Energiebedarf zu rechnen. Der hohe Energiebedarf liegt nicht nur am schweren Leergewicht dieser Fahrzeuge: Der Rollwiderstand ist ebenfalls nicht überwunden. Die Technologie mag realisierbar sein, doch bei der Sinnhaftigkeit stellen sich große Fragen. Theoretisch können höhere Steigungen bewältigt werden: Doch ist da notwendig? Die Schienen sind sowieso schon mit Parametern gebaut worden, die konventionellen Eisenbahnen entsprechen. Ein Nutzen wäre nur auf Neubaustrecken gegeben.
Zusätzliche Belastung für das Schienennetz
Das MaDe4Rail-Projekt beabsichtigt auch, Magnetschwebebahnen auf Bestandsinfrastruktur zu betreiben. Dafür existieren spannende Lösung von Nevomo und IronLev, die beabsichtigen, konventionelle Schieneninfrastrukturen magnetbahntauglich zu machen. Die Sinnhaftigkeit kann auch hier hinterfragt werden, da so etwas mit großen Herausforderungen verbunden ist, die wie folgt am Beispiel Deutschland erklärt werden.
Der deutsche ICE wird auf derselben Infrastruktur betrieben, wie Güter- und Nahverkehrszüge. Das große Problem dahinter ist, dass der ICE durch diese ausgebremst wird: Die durchschnittliche Geschwindigkeit der ICE-Fahrzeuge in Deutschland beträgt deshalb nur 160 km/h. Die ICE-Technologie ist theoretisch dazu in der Lage, bis zu 330 km/h zu erreichen. Doch das kann sie nicht: Das Schienennetz ist in zu schlechtem Zustand, zudem ist es völlig überfüllt und versehen mit Langsamfahrstellen. Der ICE muss ständig abbremsen. Eine 500+ km/h Magnetbahn ist auf dieser Infrastruktur unter keinen Bedingungen zu betreiben – da bringen auch nachgerüstete Linearmotoren nichts. Zudem stellt dieses System keine Entlastung für das Schienennetz dar, im Gegenteil: Es wird noch voller.
Vorteilhaft wäre diese Technologie jedoch in Ländern, die über getrennte Hochgeschwindigkeitsnetze verfügen. Insofern die entsprechenden Strecken nicht von anderen Zügen überfüllt werden, können Fahrzeuge sicherlich hohe Geschwindigkeiten erreichen, insofern die Trassierungsparameter (Kurven, Steigungen) dabei keinen Strich durch die Rechnung machen. Ob das jedoch Effizient ist, ist zweifelhaft, da konventionelle Züge pro Sitzplatz mindestens doppelt so viel wiegen, wie native Magnetbahnen (Transrapid vs. ICE). Es findet somit eine absolute Energieverschwendung statt, sollten konventionelle Schnellzüge mit MDS nachgerüstet werden. Anders könnte es aussehen, wenn neue MDS-Fahrzeuge entwickelt werden, die auf Gewichtsreduktion ausgelegt sind. Das würde aber weiterhin nichts daran ändern, dass echte Magnetbahnen klar im Vorteil bleiben.
Echte Magnetbahnen weiterhin im Vorteil
Magnetbahnsysteme wie der Transrapid sind bekannt für ihre hohen Geschwindigkeiten, dem geringeren Energiebedarf (vgl. konventionelle Bahn), den deutlich geringeren Wartungskosten und der hohen Flexibilität bei der ländlichen Integration dank höherer Steigfähigkeiten, engeren Kurvenradien und weniger intensiven Eingriffen in die Landschaft. Zusätzlich wird durch die getrennte Infrastruktur eine hohe Verfügbarkeit gewährleistet.
Maglev Derived Systems können davon leider keinen einzigen Vorteil liefern. Die EU fördert das Projekt trotzdem mit 1,5 Mio. EUR.